Montag, 10. April 2006

Blogging als Selbsttechnologie

Technologien des Selbst ermöglichen es Individuen „mit eigenen Mitteln bestimmte Operationen mit ihrem Körper, mit ihren eigenen Seelen, mit ihrer eigenen Lebensführung zu vollziehen, und zwar so, dass sie sich selber transformieren, sich selber modifizieren und einen bestimmten Zustand von Vollkommenheit, Glück, Reinheit, übernatürlicher Kraft erlangen.“ (1)

Kriegsberichtserstattung, persönliches Tagebuch, online-Roman, Wahlkampfinstrument, Kommunikationsmedium, wissenschaftliches Projekt – ein Blog kann zu verschiedensten Zwecken eingesetzt werden. Immer aber konstituiert er durch eine Ansammlung von Informationen ein Wissen, das kommuniziert wird und zu Anschlusskommunikationen anregen soll. Zwar sind Blogs meist ökonomischen Bedingungen ausgesetzt – man beachte die Werbung für den Host meines Blogs rechts, außerdem kostet der Internetzugang Geld -, trotzdem lässt sich ein Blog durchaus zu Zwecken der Selbsterkenntnis und einer damit verbundenen Selbstverwirklichung benutzen: „Weblogs können die Möglichkeit bieten, Information demokratisch zu verbreiten, andererseits bilden sich aber auch Kontroll- und Selbstregulierungsmechanismen durch das Veröffentlichen persönlicher Beiträge.“ (2) Für Foucault stehen mit dem Konzept der ‚Gouvernementalität’ die Institutionen und Praktiken der Menschenführung im Mittelpunkt der Untersuchung von Wahrheitspraktiken und Wahrheitsproduktion. Ein Blog ist nun ein solches Instrument der diskursiven Produktion von Wahrheit ebenso wie von Subjektivität:

„Durch das Bloggen im Rahmen einer ‚Lernveranstaltung’ geschieht zweierlei: Durch die Verschriftlichung und Archivierung des persönlichen Wissens entsteht eine komplexe, abbildbare und vernetzte Wissensstruktur. Mittels des chronologischen Aufbaus kann deren historische Entwicklung nachgezeichnet werden. Somit wird das Lernen oder die ‚Technologien des Selbst’ den Lernenden selbst transparent und sie kommen in die Lage, ihre eigenen Lernprozesse metakognitiv zu reflektieren. Doch diese Transparenz wird auch durch den Lehrer beziehungsweise den Lernberater nutzbar. Der Webloglerner gibt Bericht über seine Lernleistungen an die angebundene Institution.“ (3)

In diesem Zitat von Julia Franz finde ich mein Projekt wieder, erkenne mich selbst, beachte mich selbst und kann damit zur Veränderung meiner selbst übergehen.

Ein Problem ist mir an dieser Stelle noch nicht ganz klar: Das Subjekt, das sich im Blog verwirklicht, entsteht erst in dieser Verwirklichung. Einerseits deswegen, weil ich als Schreiber des Blogs selektiv Informationen über mich veröffentliche – meine Stimme gehört beispielsweise so gut wie nie dazu – und so ein bestimmtes Wissen über mich konstituiere, andererseits, weil die Mechanismen der Subjektivierung an die Technologie des Selbst gekoppelt sind. Wie unterscheidet man dann aber zwischen den Subjekten? Natürlich ist das Blog-Subjekt nicht das einzige Subjekt, das der Verfasser des Blogs darstellt. Aber wo liegt die Ebene, auf der hier Vergleiche angestellt werden können?






(1) FOUCAULT, Michel: (1984): Von der Freundschaft als Lebensweise: Michel Foucault im Gespräch. Berlin, Merve Verlag. S. 35

(2) FRANZ, Julia: Praktiken des Bloggens im Spannungsfeld von Demokratie und Kontrolle In: SCHMIDT, Jan /SCHÖNBERGER, Klaus /STEGBAUER, Christian (2005; Hrsg.): Erkundungen des Bloggens. Sozialwissenschaftliche Ansätze und Perspektiven der Weblogforschung. Sonderausgabe von kommunikation@gesellschaft, Jg. 6. Online-Publikation:
http://www.rz.uni-frankfurt.de//K.G/B6_2005_Franz.pdf

(3) Dies.

Arbeitsformen

Das Verfassen eines Blogs, das Arbeiten an ihm - der ja ich selbst sein könnte, zumindest ein Ausdruck davon - ist selbsttechnologisch nicht nur wegen der gestern ausgeführten zeitlichen Struktur, sondern auch, weil ich jederzeit in der Lage bin, bereits verfasste Postings zu verändern, zu korrigieren oder gar alte Texte durch neue zu ersetzen.

Zur Zeit bin ich noch dabei, Texte zu lesen, zu sammeln und zu versammeln - und zu ordnen. In den nächsten Tagen könnten erste Ergebnisse präsentierbar sein. Es ist das alte Spiel einer Systematik, die sich erst dann ergibt, wenn man sie eigentlich nicht mehr bräuchte, aber ich setze mir in diesen Arbeitsprozessen selten ein konkretes Ziel. Es ergibt sich alles von selbst. Auch die Ordnungen, die hier entstehen sollen, sind nicht meine Arbeit, sondern vollziehen sich ohne Einwirken, sind vielmehr ein Einwirken verschiedener Ideen aufeinander.

Sonntag, 9. April 2006

information overdose

Noch einige Worte zur Gestaltung dieses Blogs: Das Menü auf der rechten Seite soll die Navigation erleichtern, aber bisher sind keine Ziele definiert worden. Die Struktur wird sich erst mit der Zeit der voranschreitenden Arbeit entwickeln. Das bedeutet, dass der Blog zugleich das Medium für die Projektarbeit und ihr Ergebnis ist. Für eine (medien-)theoretische Reflexion auf das Medium möchte ich noch auf den schon rechts verlinkten Blog von Martin Schlesinger hinweisen, der das Thema ausführlich behandelt.

Weitere Informationen über Blogs finden sich auf der Wikipedia-Seite . Entsprechend wäre es auch möglich, das Projekt in Form eines Wikis zu gestalten. Dass die Entscheidung für einen Blog kontingent ist, ändert nichts daran, dass sie gefallen ist.

...

polyceyverordnung_berg1581


Morgen, 10.4.2006, 23:45-0:15, Sat1, Toto & Harry.

Ein erstes Posting

Einen Besucher, der sich zufällig - warum auch immer - hierhin verirrt, willkommen zu heißen, würde die zeitliche Struktur eines Blogs unterminieren. Schließlich steht das erste Posting am Ende, und der Anfang ist stets die Gegenwart eines Blogs, egal, wie lange sie vergangen ist. In diesem Sinne wäre die Begrüssung auf dem Blog Medientechnologien/Selbsttechnologien nur ein Schlusswort unter das, was gelesen wurde - vorher aber noch geschrieben werden muss. Wer also nach dem 9.5.2006 diesen Satz liest, hat vorher zumindest einen Blick auf viele andere Postings geworfen, in denen sich hoffentlich die Struktur abgezeichnet hat, die dem Verfasser dieses Textes zum jetzigen Zeitpunkt - dem 9.4.2006 - nur rudimentär bekannt ist.

Eine zeitliche Strukturierung ist also Bestandteil dieses Projektes, und das bedeutet zugleich auch, dass das Schreiben des Blogs zur Selbsttechnologie wird. Als Schreibender muss ich mich kontrollieren, mich anhalten, regelmäßig den Blog zu aktualisieren, neue Verknüpfungen einzufügen und Wartungsarbeiten vorzunehmen - schließlich soll der Blog schön sein, und für manche Blogger ist ihr Blog zu einem zeitgemäßen Ausdruck ihrer Persönlichkeit geworden oder aber zur lebensnotwendigen politischen Plattform, und oftmals sogar unterhaltsam und lesenswert.

Dieser Blog beginnt heute, am 9.4.2006 und soll innerhalb von vier Wochen fertiggestellt sein. Dieses Zeitlimit setze ich mir nicht nur, um wieder einmal darauf zu insistieren, dass das Schreiben des Blogs mich formatiert, sondern auch, weil bald meine mündlichen Masterprüfungen beginnen werden, ich also gar nicht anders kann, als mich streng zu reglementieren - zu regieren.

Es soll hier also, wie mir beim Schreiben des heutigen Postings deutlich wurde, nicht nur um ein Projekt zum Thema Policey gehen, sondern auch darum, zu beobachten, wie die Arbeit an diesem Projekt selbst zur Selbsttechnologie wird - vielleicht sogar darum, wie ich mich verändere, während ich an diesem Blog arbeite. Und genau deshalb bietet sich das Medium Blog für ein solches Vorhaben an: Es ermöglicht nämlich im Gegensatz zur Gestaltungsform Text (im Sinne von Hausarbeit) eine klare zeitliche Strukturierung.

Damit ist begründet, warum ich das tue, was ich tue, damit sind erste Maßstäbe, erste Zielsetzungen gegeben, und damit ist ein erster Eintrag vollendet - und die Arbeit begonnen. Arbeit an sich selbst, Arbeit am Blog, Arbeit an der Arbeit.

Selbsttechnologien Medientechnologien

Projektarbeit für das Seminar Medientechnologien/ Selbsttechnologien, Prof. Dr. Eva Warth und Hanna Surma, an der Ruhr-Universität-Bochum, Wintersemester 2005/2006 - Sommersemester 2006

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