Kritik der Kritik
Nach der Lektüre des Textes Genealogie und Subjektivität von Martin Saar (1) muss ich einiges von meiner Kritik revidieren. Saar charakterisiert das Verfahren der Genealogie als Rückgriff Foucaults auf Nietzsche. Dieser habe in der Genealogie der Moral mittels eines historisch-deskriptiven, aber ebenso rhetorisch-effektiven Verfahren versucht, die Gegenwart aus verschiedenen Wurzeln abzuleiten, um so festzuhalten, dass das, was in Bezug auf die Moral als Wahr gilt, historisch-kontingenten Bedingungen unterliegt. Damit sei es zugleich entwertet, weil andere Möglichkeiten aufgezeigt seien. Die Frage nach der Kritik ist also nicht so einfach, wie ich dachte. Trotzdem glaube ich, dass meine Kritik durch Saars Kritik nicht ganz aus der Welt geschafft wird.
Drei Aspekte der Genealogie, die sich, wie man bei einer Foucault-Lektüre schnell merkt, nicht auf eine Definition zurechtbiegen lässt, betont Saar: Die Genealogie als Geschichtsschreibung, womit methodische Verfahren angesprochen sind; die Genealogie als Kritik und als Frage nach der Geltung; und letztlich Genealogie als Schreibweise und Stil. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle die Frage nach der Kritik. Saar formuliert eine ‚Bedienungsanleitung’ für die Genealogie: „Erzähle mir die Geschichte der Genese meines Selbstverständnisses unter Verwendung des Wortes Macht (oder verwandter Wörter wie Strategie, Dispositiv oder Interessen, Unterwerfung, Ausbeutung, Nutzen) auf eine solche Weise, dass ich beim Zuhören so, wie ich glaube, unwiderruflich zu sein, nicht mehr sein will und beim Zuhören selbst begreife, dass ich so auch nicht mehr sein muss.“ (2) Damit sollte deutlich werden, dass das Verfahren der Genealogie, besonders, wenn es von so brillanten Stilisten wie Nietzsche und Foucault durchgeführt wird, immer eine Form der Entfremdung, der Dramatisierung und der Abschreckung durch einen Darstellungsmodus beinhaltet – und genau damit taucht die Frage wieder auf, welchen Standpunkt der Historiker einnimmt, wenn er kritisiert. Wenn die Genealogie eine Form der Kritik impliziert, die durch Erkenntniseffekte Modifizierungen im Selbstbild hervorrufen will, welche Berechtigung und welche Perspektive hat dann diese Kritik durch Genealogie? Jedenfalls: „Der Genealoge hat dann Erfolg, wenn seine Leser ihre Geschichte selbst weiterschreiben.“ (3)
(1) (1) SAAR, Martin: Genealogie und Subjektivität. In: HONNETH, Axel/SAAR, Martin (Hrsg.; 2003): Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption. Frankfurt/Main, Suhrkamp.
(2) S. 170
(3) S. 177
Drei Aspekte der Genealogie, die sich, wie man bei einer Foucault-Lektüre schnell merkt, nicht auf eine Definition zurechtbiegen lässt, betont Saar: Die Genealogie als Geschichtsschreibung, womit methodische Verfahren angesprochen sind; die Genealogie als Kritik und als Frage nach der Geltung; und letztlich Genealogie als Schreibweise und Stil. Wichtig erscheint mir an dieser Stelle die Frage nach der Kritik. Saar formuliert eine ‚Bedienungsanleitung’ für die Genealogie: „Erzähle mir die Geschichte der Genese meines Selbstverständnisses unter Verwendung des Wortes Macht (oder verwandter Wörter wie Strategie, Dispositiv oder Interessen, Unterwerfung, Ausbeutung, Nutzen) auf eine solche Weise, dass ich beim Zuhören so, wie ich glaube, unwiderruflich zu sein, nicht mehr sein will und beim Zuhören selbst begreife, dass ich so auch nicht mehr sein muss.“ (2) Damit sollte deutlich werden, dass das Verfahren der Genealogie, besonders, wenn es von so brillanten Stilisten wie Nietzsche und Foucault durchgeführt wird, immer eine Form der Entfremdung, der Dramatisierung und der Abschreckung durch einen Darstellungsmodus beinhaltet – und genau damit taucht die Frage wieder auf, welchen Standpunkt der Historiker einnimmt, wenn er kritisiert. Wenn die Genealogie eine Form der Kritik impliziert, die durch Erkenntniseffekte Modifizierungen im Selbstbild hervorrufen will, welche Berechtigung und welche Perspektive hat dann diese Kritik durch Genealogie? Jedenfalls: „Der Genealoge hat dann Erfolg, wenn seine Leser ihre Geschichte selbst weiterschreiben.“ (3)
(1) (1) SAAR, Martin: Genealogie und Subjektivität. In: HONNETH, Axel/SAAR, Martin (Hrsg.; 2003): Michel Foucault. Zwischenbilanz einer Rezeption. Frankfurt/Main, Suhrkamp.
(2) S. 170
(3) S. 177
Florian Sprenger - 15. Apr, 12:20
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