Für einen noch abzuhaltenden Fernsehabend
Ich möchte den heutigen Abend mit zwei Rechtfertigungen beginnen. Die erste Rechtfertigung wäre eine Antwort auf einen von manchen Seiten erwartbaren Vorwurf: Was zum Teufel hat Philosophie im Fernsehen zu suchen? Dass sie nur in Büchern stattfände, wäre ein leicht zu widerlegender Einwand: Platons Schriftkritik ließe sich als Buchkritik lesen.
Eine zweite Rechtfertigung, die die erste überkreuzt, aber nicht schneidet, möchte begründen, warum hier keine der bekannten Sendungen wie Philosophie Heute oder Sternstunde Philosophie behandelt werden. Diese Sendungen nämlich leiden unter einer – vielleicht sogar konstitutiven – Medienvergessenheit. Denn Philosophie im Fernsehen ist keine Philosophie, sondern Fernsehen. The Medium is the message, wie Marshall McLuhan, der kanadische Medientheoretiker in den 60ern sagte, nach dem übrigens unlängst das Besucherinformationszentrum in der neu eröffneten Kanadischen Botschaft in Berlin benannt wurde. Philosophie im Fernsehen ist also Fernsehen. Und was besagte Sendungen versuchen, ist Philosophie, reinrassige, akademische Philosophie, und kein Fernsehen. Unter einer Perspektive, die diese Sendungen innerhalb des Programms beurteilen würde, innerhalb dessen sie statthaben, würde ihnen zwar vielleicht einen Sonderstatus zubilligen. Dieser bestände letztlich aber nur darin, dass sie versuchen, entweder eine Form von Dialogizität zu etablieren, die dem Gespräch eigen ist, oder aber anhand von Bildern mehr oder minder mangelhaft eine Philosophie zu verdeutlichen. Es würde also Philosophie ins Fernsehen transformiert oder das Fernsehen zum Philosoph(v)ie(h)-Transport gemacht.
Ich möchte dies mit einem Beispiel verdeutlichen: Auf 3Sat laufen gelegentlich Aufnahmen von Theaterstücken. Wir sehen die ganze Bühne in einer Plansequenz, dann nur Hamlet und den Geist, von der linken Seite und zuletzt das verzerrte Gesicht Hamlets. Würde jemand behaupten, das, was wir gesehen haben, sei Theater?! Das Fernsehen – bzw. in diesem Fall die Kamera mit den Möglichkeiten des Films – transformieren das Theater zu etwas anderem, und heraus kommt ein intermediales Produkt. Nun ist es nicht so einfach, zu bestimmen, was Philosophie ist, und das soll auch gar nicht unsere Aufgabe sein. Zumindest können wir festhalten, dass das, was auf dem Bildschirm stattfindet, auf dem Bildschirm stattfindet. Es handelt sich um eine zusammengeschnittene Sendung, und die Bilder, die uns gezeigt werden, gibt es in dieser Konstellation so nicht.
Dem entgegen ließe sich ein anderes Konzept stellen: Durch das Rundfunkrecht ist jeder deutsche Fernsehsender mit einem Marktanteil von mehr als 10 % verpflichtet, einen geringen Teil des Programms unabhängigen Anbietern zur Verfügung zu stellen. Genau diese Regelung hat es dem Fernseh-, Filme- und Büchermacher Alexander Kluge ermöglicht, mit seiner Produktionsfirma DCTP das Nachtprogramm von Sat1, Vox und RTL zumindest einmal wöchentlich zu gestalten. Dabei sind neben vom russischen Formalismus beeinflussten Bild- und Toncollagen vor allem die Interviewsendungen interessant. Sicher, auch Kluge führt Interviews, die auf den ersten Blick im herkömmlichen Stil gehalten sind. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich aber eine entscheidende Differenz: Bei LINK Alexander Kluges Interviews kommt es zu keinem Dialog, den man so auch außerhalb des Fernsehens halten würde, selbst wenn eine Umsetzung ins Radio denkbar wäre.
Was also macht die Differenz zwischen den Interviews von Kluge und anderen Philosophiesendungen aus? Bei meinen Überlegungen stütze ich mich auf einige Bemerkungen von Joseph Vogl, Professor für Geschichte und Theorie künstlicher Welten an der Bauhaus-Universität Weimar, und fast zwanzigfacher Gast Kluges.
Es handelt sich bei den Interviews, die Kluge führt, nämlich nicht um Expertengespräche. Hier spricht nicht ein Unwissender mit einem Wissenden, auch kein Fragender mit einem Gefragten. Es handelt sich genauso wenig um ein Ping-Pong-Spiel. Vielmehr betritt jede Frage (von Nachfragen einmal abgesehen) Neuland, ist unerwartet für den Gefragten, vielleicht auch für den Fragenden, die gerade so eine Einheit bilden in dem, was erzählt wird. Das, was erzählt wird, ist nämlich nicht das Gespräch, sondern das, was wir sehen, die Sendung, Prime Time, 10 vor 11 oder das Mitternachtsmagazin. Eine Antwort ist in diesem Spiel jedoch verboten: „Das weiß ich nicht“ darf der Gefragte nie sagen. Kluge versucht damit, den Zuschauer zu integrieren, ihn selbst Relationen erzeugen zu lassen, ihn die Kontexte neu zusammensetzen zu lassen.
Aus erfahrener Quelle ließ sich nun vernehmen, dass diese Interviewsituation Interviewten keine angenehme Position zuteilen würde. Man werde nämlich im Antworten zum Zeugen der Antwort, durchaus auch im doppelten Sinn des Wortes zu verstehen. Diese Personalisierung der Antwort führt letztlich zu einer Entchristiansenierung, und vielleicht sogar zu einer Entchristianisierung des Fernsehens, einer Ablösung vom Geständnischarakter vieler Interviews und Talkshows, durch die Mittel des Fernsehens.
Es geht damit in diesen Gesprächen um eine sinnliche Intelligenz, um Kurzschlüsse zwischen Geschichten und Begriffen, die sich nicht auf eine rationale Herleitung zurückführen lassen. Es wird nicht logisch gefragt, und all das lässt sich zweifach rechtfertigen: einerseits handelt es sich eben um Fernsehen und nicht um Philosophie, und das Medium Fernsehen erfordert eine andere Art zu reden als die Philosophie. Zweitens: Diese Art zu reden ließe sich, wie noch ausgeführt werden müsste, auch aus Kluges eigenen Überlegungen und Filmen rechtfertigen. Vielleicht spiegelt sich in Kluges Sendungen so etwas wie ein Denken des Fernsehens, eine Reflexion jedenfalls des Fernsehens mit Mitteln des Fernsehens auf das Fernsehen.
Eine zweite Rechtfertigung, die die erste überkreuzt, aber nicht schneidet, möchte begründen, warum hier keine der bekannten Sendungen wie Philosophie Heute oder Sternstunde Philosophie behandelt werden. Diese Sendungen nämlich leiden unter einer – vielleicht sogar konstitutiven – Medienvergessenheit. Denn Philosophie im Fernsehen ist keine Philosophie, sondern Fernsehen. The Medium is the message, wie Marshall McLuhan, der kanadische Medientheoretiker in den 60ern sagte, nach dem übrigens unlängst das Besucherinformationszentrum in der neu eröffneten Kanadischen Botschaft in Berlin benannt wurde. Philosophie im Fernsehen ist also Fernsehen. Und was besagte Sendungen versuchen, ist Philosophie, reinrassige, akademische Philosophie, und kein Fernsehen. Unter einer Perspektive, die diese Sendungen innerhalb des Programms beurteilen würde, innerhalb dessen sie statthaben, würde ihnen zwar vielleicht einen Sonderstatus zubilligen. Dieser bestände letztlich aber nur darin, dass sie versuchen, entweder eine Form von Dialogizität zu etablieren, die dem Gespräch eigen ist, oder aber anhand von Bildern mehr oder minder mangelhaft eine Philosophie zu verdeutlichen. Es würde also Philosophie ins Fernsehen transformiert oder das Fernsehen zum Philosoph(v)ie(h)-Transport gemacht.
Ich möchte dies mit einem Beispiel verdeutlichen: Auf 3Sat laufen gelegentlich Aufnahmen von Theaterstücken. Wir sehen die ganze Bühne in einer Plansequenz, dann nur Hamlet und den Geist, von der linken Seite und zuletzt das verzerrte Gesicht Hamlets. Würde jemand behaupten, das, was wir gesehen haben, sei Theater?! Das Fernsehen – bzw. in diesem Fall die Kamera mit den Möglichkeiten des Films – transformieren das Theater zu etwas anderem, und heraus kommt ein intermediales Produkt. Nun ist es nicht so einfach, zu bestimmen, was Philosophie ist, und das soll auch gar nicht unsere Aufgabe sein. Zumindest können wir festhalten, dass das, was auf dem Bildschirm stattfindet, auf dem Bildschirm stattfindet. Es handelt sich um eine zusammengeschnittene Sendung, und die Bilder, die uns gezeigt werden, gibt es in dieser Konstellation so nicht.
Dem entgegen ließe sich ein anderes Konzept stellen: Durch das Rundfunkrecht ist jeder deutsche Fernsehsender mit einem Marktanteil von mehr als 10 % verpflichtet, einen geringen Teil des Programms unabhängigen Anbietern zur Verfügung zu stellen. Genau diese Regelung hat es dem Fernseh-, Filme- und Büchermacher Alexander Kluge ermöglicht, mit seiner Produktionsfirma DCTP das Nachtprogramm von Sat1, Vox und RTL zumindest einmal wöchentlich zu gestalten. Dabei sind neben vom russischen Formalismus beeinflussten Bild- und Toncollagen vor allem die Interviewsendungen interessant. Sicher, auch Kluge führt Interviews, die auf den ersten Blick im herkömmlichen Stil gehalten sind. Bei genauerer Betrachtung offenbart sich aber eine entscheidende Differenz: Bei LINK Alexander Kluges Interviews kommt es zu keinem Dialog, den man so auch außerhalb des Fernsehens halten würde, selbst wenn eine Umsetzung ins Radio denkbar wäre.
Was also macht die Differenz zwischen den Interviews von Kluge und anderen Philosophiesendungen aus? Bei meinen Überlegungen stütze ich mich auf einige Bemerkungen von Joseph Vogl, Professor für Geschichte und Theorie künstlicher Welten an der Bauhaus-Universität Weimar, und fast zwanzigfacher Gast Kluges.
Es handelt sich bei den Interviews, die Kluge führt, nämlich nicht um Expertengespräche. Hier spricht nicht ein Unwissender mit einem Wissenden, auch kein Fragender mit einem Gefragten. Es handelt sich genauso wenig um ein Ping-Pong-Spiel. Vielmehr betritt jede Frage (von Nachfragen einmal abgesehen) Neuland, ist unerwartet für den Gefragten, vielleicht auch für den Fragenden, die gerade so eine Einheit bilden in dem, was erzählt wird. Das, was erzählt wird, ist nämlich nicht das Gespräch, sondern das, was wir sehen, die Sendung, Prime Time, 10 vor 11 oder das Mitternachtsmagazin. Eine Antwort ist in diesem Spiel jedoch verboten: „Das weiß ich nicht“ darf der Gefragte nie sagen. Kluge versucht damit, den Zuschauer zu integrieren, ihn selbst Relationen erzeugen zu lassen, ihn die Kontexte neu zusammensetzen zu lassen.
Aus erfahrener Quelle ließ sich nun vernehmen, dass diese Interviewsituation Interviewten keine angenehme Position zuteilen würde. Man werde nämlich im Antworten zum Zeugen der Antwort, durchaus auch im doppelten Sinn des Wortes zu verstehen. Diese Personalisierung der Antwort führt letztlich zu einer Entchristiansenierung, und vielleicht sogar zu einer Entchristianisierung des Fernsehens, einer Ablösung vom Geständnischarakter vieler Interviews und Talkshows, durch die Mittel des Fernsehens.
Es geht damit in diesen Gesprächen um eine sinnliche Intelligenz, um Kurzschlüsse zwischen Geschichten und Begriffen, die sich nicht auf eine rationale Herleitung zurückführen lassen. Es wird nicht logisch gefragt, und all das lässt sich zweifach rechtfertigen: einerseits handelt es sich eben um Fernsehen und nicht um Philosophie, und das Medium Fernsehen erfordert eine andere Art zu reden als die Philosophie. Zweitens: Diese Art zu reden ließe sich, wie noch ausgeführt werden müsste, auch aus Kluges eigenen Überlegungen und Filmen rechtfertigen. Vielleicht spiegelt sich in Kluges Sendungen so etwas wie ein Denken des Fernsehens, eine Reflexion jedenfalls des Fernsehens mit Mitteln des Fernsehens auf das Fernsehen.
Florian Sprenger - 4. Mai, 21:07